„Wir haben unglaublich viel gelernt"
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DEGA GARTENBAU: Wie erleben Sie die Auswirkungen der Corona-Krise?
Jasmin Hassinger: Sehr unterschiedlich. Der Anfang traf uns hart. Unser Absatzmarkt ist in kürzester Zeit fast komplett weggebrochen. Aber nach Ostern zog er stark wieder an und wir sind fast nicht mehr hinterhergekommen. Die Nachfrage war wieder sehr groß und hält auch bis heute an. Leider sind jedoch viele Aktionen, gerade mit besonderen Orchideen, abgesagt worden. Dieses Geschäft konnten wir nicht wieder aufholen. Der Handel reagierte anfangs recht unsicher, keiner wusste, was weiter passiert, wann die Geschäfte wieder öffnen dürfen.
Was ist momentan Ihre größte Herausforderung?
Jasmin Hassinger: Wir haben viele Einschnitte in der Produktion gemacht, weniger Pflanzen getopft und Einsparungen bei den Kulturarbeiten vorgenommen, was sich bei Orchideen zum Glück recht gut machen lässt, anders als bei Beetpflanzen. Denn niemand wusste, wie sich die Corona-Krise auswirken wird. Nun müssen wir langsam einen Weg zurück in den Normal-Betrieb finden, jedoch steht uns nun die absatzschwächste Zeit bevor. Wir müssen daher von Woche zu Woche bewerten, welche Dinge notwendig sind und welche Arbeiten etwas warten können.
Wie gehen Sie in der momentanen Situation auf Ihre Kunden zu?
Jasmin Hassinger: Wir telefonieren viel mit unseren Kunden, da gegenseitige Besuche momentan nicht möglich sind. Wir tauschen uns viel darüber aus, wie die Entwicklungen sind und wo man sich gegenseitig unterstützen kann.
Welche Maßnahmen haben Sie getroffen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten?
Jasmin Hassinger : Wir haben einen Lieferservice und einen Online-Versand von Orchideen eingerichtet und diesen via Social-Media beworben. Es hat sehr gut funktioniert und wir konnten viele Pflanzen direkt an Endverbraucher liefern. Für uns war das alles Neuland, da wir normalerweise nur über den Großhandel vermarkten. Es war eine sehr anstrengende Zeit, aber wir haben unglaublich viel gelernt und waren von der Unterstützung unserer Kunden wirklich überwältigt. Es hat uns und unseren Mitarbeitern in dem Corona-Loch sehr geholfen.
Werden Sie diesen Lieferservice und Online-Versand weiterführen?
Jasmin Hassinger: Es war sehr interessant und wir haben in der kurzen Zeit viel gelernt, auch gerade über die Social-Media-Werbung, die sehr günstig und effektiv ist. Es war aber auch sehr anstrengend, wir haben unendlich viel Zeit da hinein investiert. Wir haben es da schon mit einem anderen Markt zu tun, aber es hat gut geklappt und wir sind sehr zufrieden. Wir haben uns erst einmal wieder von diesem Vertriebsweg verabschiedet, auch bezüglich der vorhandenen Pflanzen, die nicht mehr sofort in den Verkauf müssen. Für die Zukunft ist es gut zu wissen, dass es neue Absatzwege gibt. Insgesamt war der Absatz über die Social-Media-Kanäle natürlich gering, er war eben Corona-geschuldet. Wir hatten diesen Weg Anfang April beschritten, da niemand wusste, wie es weitergeht.
Der Absatz zu Muttertag verlief außerordentlich erfolgreich. Es war so viel Nachfrage vorhanden, dass wir wieder unsere normalen Wege gegangen sind.
Was meinen Sie, ist der Orchideenmarkt stärker oder schwächer betroffen als andere Zierpflanzen von der Krise?
Jasmin Hassinger: Ich denke, dass Orchideen stärker betroffen waren. Der Großhandel hat sich am Anfang der Krise auf das Outdoor-Sortiment fokussiert, da das Wetter super war und viele Menschen ihre Zeit im Garten und auf dem Balkon verbracht haben. Uns kam nun zugute, dass an Muttertag unglaublich viele Blumen und Pflanzen verschenkt wurden, auch viele Orchideen. Wir sind sehr gespannt, wie sich der Sommer entwickeln wird. Normalerweise ist der Markt für Zimmerpflanzen in der Urlaubszeit nicht so gut, aber da es dieses Jahr alles etwas anders sein wird, dürfen wir gespannt bleiben.
Unabhängig von der Corona-Krise: Wie schätzen Sie die Marktsituation für Phalaenopsis und Orchideen insgesamt ein?
Jasmin Hassinger: Die letzten Jahre waren sehr schwierig für viele Orchideenproduzenten. Es war definitiv eine Überproduktion da und die Preise sind für diese teuer zu produzierenden Pflanzen zu tief gewesen. Jedoch zeichnete sich vor der Corona-Krise wieder eine Stabilität ab, die alle etwas aufatmen ließ. Auch gerade nach den letzten Wochen, in denen wir intensiven Kontakt zu Endverbrauchern hatten und das Interesse an Orchideen nach wie vor sehr groß ist, können wir mit unserem Produkt positiv in die Zukunft blicken. Der Markt besonders für andere Orchideen außer Phalaenopsis wächst, viele schauen nach etwas Neuem.
Unsere Problematik dabei: Neue, besondere Orchideen sind nicht so einfach steuerbar und damit planbar wie Phalaenopsis , das wiederum erwartet der Handel. Der Handel fordert eine recht genaue Terminierung für die Pflanzenlieferungen. Natürlich verstehen wir auch den Handel, der seine Flächen ebenfalls planen muss. Ich denke, da müssen beide Seite noch lernen. Aber das Interesse der Verbraucher an neuen Orchideen ist jedenfalls vorhanden. Besondere Neuheiten müssen von Seiten des Handels und der Produzenten kommuniziert und erklärt werden.
Wie entwickeln sich derzeit Nachfrage und Preise?
Jasmin Hassinger: Die Nachfrage nach Orchideen wird immer saisonaler. Früher wurden Orchideen das ganze Jahr in gleichen Mengen produziert. Die Produzenten versuchen jedoch immer mehr, ihre Produktionsmengen an die Jahreszeiten anzupassen. Somit können im Jahresschnitt bessere Preise erzielt werden. Die Preise hängen aber sehr stark von dem Vermarktungsweg und der Qualität der Ware ab. Das Qualitätsniveau ist sehr hoch, da sehr viele gute Sorten auf dem Markt sind und die Produzenten hier aus dem Vollen schöpfen können.
Was ist derzeit „in" und was „out" auf dem Orchideenmarkt?
Jasmin Hassinger: Das lässt sich schwer sagen. Meist kommt es darauf an, ob der Kunde die Orchidee verschenken möchte, oder ob er sie für sich kauft. Ist die Pflanze für eine andere Person bestimmt, werden meist die klassischen Phalaenopsis genommen. Für den Eigenbedarf werden die Kunden mutiger und trauen sich auch an andere, neuere Orchideengattungen wie Masdevallia „BellaVallia" heran. Hierbei ist es für uns sehr wichtig, die nötigen Pflegehinweise den Kunden zugänglich zu machen, sodass sie lange Freude an dem Produkt haben. Nur wenn die Pflege zu Hause gelingt, hat man einen Kunden für die Zukunft gewonnen.
Die Gartenbauingenieurin (Master Gartenbau) Jasmin Hassinger leitet die Produktion im Betriebsteil Bergheim von Hassinger Orchideen, den Verkauf von Fertigware sowie den Export und ist bei der wichtigen Selektionsarbeit dabei. Auf einer Gewächshausfläche von rund 33.000 Quadratmetern werden bei Hassinger neben Züchtung, Mutterpflanzen- und Klonaufbau jährlich mehrere Millionen In-vitro-Becher, Jungpflanzen, Halbfertigware und Fertigware unterschiedlicher Orchideengattungen produziert. Das Unternehmen stellen wir auf Seite 22 vor.
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