„Profilieren, profilieren, profilieren”
- Veröffentlicht am
Die Strukturdaten zur Entwicklung des Gartenbaus in Baden-Württemberg für den Einzelhandelsgartenbau stimmen sehr nachdenklich. Wir fragten zwei Berater nach ihrer Sicht der Dinge.
Ulrike Soldner ist seit 2004 Beraterin beim Beratungsdienst Endverkauf Südbaden mit Dienstsitz in Breisach. Nach ihrer Ausbildung zur Zierpflanzengärtnerin studierte sie Gartenbau an der Universität Hannover. Danach war sie zunächst stellvertretende Abteilungsleiterin bei Pflanzen Kölle in München und Stuttgart, bevor sie weitere Erfahrungen als Marktleiterin des Blumengroßmarkts Singen, als Verkaufsleiterin und Kundenberaterin am Blumengroßmarkt Stuttgart und in der Gärtnerei Lamprecht, Horben/CH, sammelte.
Thomas Schädler, Jahrgang 1962, ist seit 1996 als Marketingberater beim Beratungsdienst Direktabsatz in Ludwigsburg tätig. Er begann nach Gärtnerlehre und Gartenbaustudium zunächst im Telefonverkauf im Schnittblumengroß- und -importhandel. Anschließend folgten mehrere Jahre im Marketing und Vertrieb einer Jungpflanzenfirma.
DEGA: Erlebten Sie eine Verschärfung der wirtschaftlichen Situation bei den Einzelhandelsgärtnereien gerade im letzten Jahr in der Beratung?
Ulrike Soldner: Eine verschärfte wirtschaftliche Situation können wir als Endverkaufsberater auch wahrnehmen. Dabei fällt in Südbaden vor allem eine Verschärfung des Wettbewerbs auf.
Thomas Schädler: Im Rahmen unseres baden-württembergischen Kennzahlenvergleichs, den die hiesigen Beratungsdienste durchführen, erfassen wir Kennzahlen von etwa 75 Einzelhandelsgärtnereien im Land, einige davon schon über viele Jahre. Bei den in der Regel leistungsfähigen Betrieben, deren Daten wir schon länger erfassen, haben wir im Durchschnitt 2007 erstmalig einen Umsatzrückgang festgestellt. Dass dieser leichte Umsatzrückgang sich bei den Orientierungsdaten aber so gravierend niederschlägt (wie auf Seite 4 und 5 dargestellt, Anmerkung der Redaktion), hat mich schon überrascht. Andererseits: Es gab viele Insolvenzen in unserer Region in diesem Jahr!
DEGA: Warum ist gerade das letzte Jahr so schlecht ausgefallen?
Ulrike Soldner: Ein Betriebsleiter hat kürzlich zu mir gesagt: „Das Jahr 2007 hat sehr viel mehr versprochen, als es gehalten hat.“ Dennoch ist das Jahr 2007 aus unserer Sicht nicht dramatisch schlechter gewesen als so manches Jahr davor.
Thomas Schädler: Die Ursachen sind bestimmt vielfältig: Der Wettbewerb nimmt weiter an Schärfe zu. Ständig steigen die fixen Kosten bei Energie und Löhnen. Dazu kommt die Mehrwertsteuererhöhung im Allgemeinen, die sich indirekt auf den Konsum bei Blumen und Pflanzen niederschlägt. Außerdem hat sich der Trend im Rückgang der Kundenzahlen auch 2007 fortgesetzt. Nach unserem Kennzahlenvergleich müssen die Einzelhandelsgärtner mit 10% weniger Kunden im Vergleich zu 2003 zurechtkommen. Unsere Einzelhandelsgärtnereien werden bei den jüngeren Altersgruppen dank massiver Werbung der „Großen“ teilweise gar nicht mehr als Einkaufsstätte wahrgenommen.
DEGA: Sind grundsätzliche und allgemeine Empfehlungen für Einzelhandelsgärtnereien heute noch möglich? Oder orientiert sich Beratung heute vor allem am einzelnen Unternehmen?
Ulrike Soldner: Natürlich gibt es allgemeingültiges Basiswissen und Können, das heute jede Einzelhandelsgärtnerei erfüllen sollte. Bei der Arbeit mit den Mitgliedsbetrieben der Beratungsdienste geht es aber tatsächlich um individuelle, auf den Betrieb zugeschnittene Lösungen.
Thomas Schädler: Wege zum Gegensteuern sehe ich schon: Profilieren, profilieren, profilieren! Das sieht abhängig von den Ausgangsvoraussetzungen und der Eignung sowie der Neigung des Unternehmers bei jedem Unternehmen anders aus. Insofern ist die Frage nach dem „Patentrezept“ beantwortet: Es gibt keines!
DEGA: Was machen die wenigen erfolgreichen Einzelhandelsgärtnereien so komplett anders als die vielen wenig erfolgreichen?
Ulrike Soldner: Der Zug des Erfolgs ist einer, auf den man schon längst aufspringen musste, um auch ungünstige Zeiten zu überstehen. Wer plötzlich merkt, dass er etwas tun muss, für den ist es oft schon zu spät. Erfolgreiche Betriebe sind nach meiner Erfahrung die, die klare Ziele vor Augen haben, die Veränderungen gegenüber offen sind und bereit sind, ständig an sich zu arbeiten.
Thomas Schädler: Die Erfolgsfaktoren liegen wohl in einer Kombination aus einem funktionierenden Controlling, das heißt der Erfassung des Ist-Zustands und der Kontrolle eingeleiteter Maßnahmen. Außerdem kommt es darauf an, welche Visionen das Unternehmen hat und wie es diese umsetzt.
DEGA: Gibt es eine Zukunft für das Modell „Einzelhandelsgärtnerei“?
Ulrike Soldner: Das kommt darauf an, wie man Einzelhandelsgärtnerei definiert. Fragt man den Endverbraucher, dann beschreibt er eine gut sortierte Einzelhandelsgärtnerei oft als Gartencenter. Wenn man das Modell dagegen „Einzelhandelsgärtnerei“ als kleinen Produzenten definiert, der etwas aus dem Betrieb heraus verkauft, dann dürfte die Zukunft eher eine Herausforderung sein. Aus Marketingsicht ist es wichtig, einzigartig zu sein, nicht vergleichbar. Ein Betrieb sollte dem Kunden etwas Besonderes bieten und das auch vermarkten. Mit dem richtigen Marketing, dem richtigen Konzept und einem Betriebsleiter, der das auch lebt, hat ein Betrieb gute Voraussetzungen, erfolgreich zu sein.
Thomas Schädler: Es gibt eine echte Zukunft für die Einzelhandelsgärtnereien – leider nicht für alle, die derzeit auf dem Markt sind.
Die Fragen stellte Christoph Killgus
Barrierefreiheit Menü
Hier können Sie Ihre Einstellungen anpassen:
Schriftgröße
Kontrast
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.