Ein Ahornblatt und der Stil des Japonismus
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Dies ist die 41. Folge der Serie „Im Bild", und dies soll die letzte sein. Ursprünglich hatten Christoph Killgus und ich gar nicht geplant, so oft Fragen der Pflanzenfotografie aufzugreifen. Allerdings: an Themen fehlte es nicht; die Entwicklung gerade der digitalen Fotografie ist noch immer stürmisch. Und da das Interesse an diesen Fragen ebenfalls rege war, wurde aus der geplanten kleinen Serie eine stattliche.
Für diese somit letzte Folge hatte ich ein Motiv vorgesehen, dass zur herbstlich-winterlichen Atmosphäre gepasst hätte: wollige Fruchtstände von Herbstanemonen im Gegenlicht. Die fast weißen Büschel heben sich gegen einen im Dunkel verschwindenden Hintergrund ideal ab. Ich mag dieses stimmungsvolle Bild sehr, aber dann erschienen die DEGA-Hefte 10 und 11, und ich stellte mir vor, was von der Stimmung übrig geblieben wäre. Mit den vorigen beiden Heften war ich nämlich höchst unzufrieden. Der Drucker hatte seine Walzen mehr als ordentlich mit Schwarz versorgt, so dass ich meine Fotos kaum mehr wiedererkannte. Meine wundervolle Anemonen-Stimmung wäre auf diese Weise zur finsteren Nacht mutiert.
Das Beispiel zeigt, dass wir es in der Regel mit einer Abfolge von Schritten zu tun haben. Die geschulten Augen des Fotografen sehen ein interessantes Motiv, die Kamera hält es mit Hilfe von Linsen und Sensor, gesteuert von einer komplizierten Software, auf der Speicherkarte fest, von dort gelangt es gegebenenfalls in ein Bildbearbeitungsprogramm und von dort je nach der gewünschten Präsentationsform über Labor oder Drucker auf Fotopapier oder ein anderes Medium. Es reicht, wenn einer der genannten Schritte nicht perfekt ist. Das reizvollste Motiv wird durch ein unpassendes Papier, unkorrekten Druck oder Belichtung, falsch eingestellte Beamer oder andere Fehler schnell entzaubert.
Ich habe mich deshalb für ein anderes Bild entschieden, das hoffentlich weniger gefährdet ist. Das Blatt des Japanischen Ahorns ist tiefrot gefärbt und kontrastiert perfekt zum lichten Grün des in der Unschärfe versinkenden Rasens. Das Hauptmotiv, ein einzelnes Blatt, ist etwa im Goldenen Schnitt in der oberen Bildhälfte platziert. Diese Raumaufteilung mag manche irritieren. Sie greift jene Bildgestaltung auf, die uns in den typischen japanischen Aquarellen und Farbholzschnitten so fasziniert, dass sie nach der Entdeckung der ostasiatischen Kunstwerke zum Vorbild wurde und den Stil des Japonismus begründete. Die Anordnung ist also nicht nur dem vorhandenen Motiv geschuldet, sondern verweist auf die Herkunft der abgebildeten Pflanze.
Über diese Serie
Pflanzenfotografie ist die Passion leidenschaftlicher Sammler und Hobbyfotografen. Gärtner bilden Pflanzen für ihre Kataloge und Internetshops ab. Karlheinz Rücker, langjähriger Chefredakteur des Pflanzenmagazins „Gartenpraxis" und erfahrener Fotograf, gibt in unserer Serie „Im Bild" wertvolle Tipps.
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