Wohnen unter Torf und Gras
Aufgrund von Holzmangel entwickelte sich in Island im 18. und 19. Jahrhundert die Torfrasenbauweise, in der Häuser und Kirchen gebaut wurden. Einige dieser Bauwerke sind bis heute erhalten geblieben.
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Island, eine Insel mit unverwechselbaren Umrissen, im oft stürmischen Nordatlantik, unweit des Polarkreis, weist viele Besonderheiten auf: Vulkane in Wartestellung, Täler und Hänge, bedeckt mit tiefschwarzer Lava oder vielfältig grünen Moosen, ungeheure Wassermassen, als herabstürzende eiskalte Fälle oder kochend heiß aus der Erde quellend. Dazu die europaweit größten, jedoch seit Jahren auch hier zunehmend abschmelzenden Gletscher.
Nicht vergessen werden dürfen die kleinen robusten Islandpferde. Sie sind einzigartig durch ihre fünfte Gangart, den „Tölt“. Allesamt sind „Markenzeichen“ dieses schönen Fleckchen Erde am Rand unseres Kontinents.
Eins wird der Besucher jedoch vergeblich suchen, das sind die für das übrige Europa so charakteristischen, weiten und schützenden Wälder. Zwar sind schüchterne Anfänge von Neuaufforstung mit den auch bei uns bekannten Nadelgehölzen, mit Birken, Erlen und anderen dem harten Klima angepassten Laubbaumarten sichtbar, jedoch wird es noch Jahrzehnte dauern, bis die Sünden der Vergangenheit bereinigt sind.
Insbesondere der Raubbau der skandinavischen Vorfahren der heutigen Isländer führte zu einer beinahe völligen Abholzung vorhandener Wälder. So wurde das Bauholz knapp und aus der Not geboren eine andere Methode entwickelt, die „Torfrasenbauweise“, meist im 18. und 19. Jahrhundert, in ländlichen Gebieten noch bis um 1900 üblich. Da es schwierig war, große Gebäude in dieser Bauweise zu errichten, waren beispielsweise Bauernhöfe ein Komplex von Einheiten. Die häufiger genutzten wurden dicht gestellt und durch Korridore miteinander verbunden.
Die in Torfrasenbauweise errichteten Gebäude bestehen aus den notwendigsten Stützpfählen und -balken, verbindenden und deckenden dünnen Brettern und dem zentralen Giebel mit Eingangstor. Dieser ist aus stärkerem Holz gefertigt. Sie sind untereinander, besonders aber nach außen durch dicke Schichten von „Torfziegeln“ und Torfrasensoden isoliert. Das trifft auch für das Dach zu. Das Isländische Gras ist sehr widerstandsfähig, wächst kräftig und bildet eine starke und dauerhafte Verbindung zwischen Wurzeln und Torf.
Ein Torfrasenhaus kann ein ganzes Jahrhundert überdauern. Mit die wichtigste Voraussetzung dafür ist der richtige Dachwinkel. Ist dieser zu flach, regnet es durch, ist er zu steil, läuft das Regenwasser zu rasch ab, dann bekommt der Torf Risse, das Gras vertrocknet und es wird ebenfalls nass in den Räumen darunter.
Heute kann man Torfrasenhäuser in Island noch auf alten Bauernhöfen sehen, wo sie höchstens noch der Bevorratung von Heu und Stroh dienen. Besonders für den Tourismus gibt es jedoch erhaltene oder detailliert nachgebaute „Freilandmuseen“, darüber hinaus werden einzelne Kirchen oder Kapellen in dieser Bauweise von ihren Gemeinden liebevoll gepflegt.
Ob wir auf der Suche nach energiesparenden Methoden eines Tages bei uns die Torfrasenbauweise entdecken? Zumindest kann es eine einfachere und billigere Dachbegrünung kaum geben.
Heutzutage baut man in Island überwiegend Stahlbetonkonstruktionen – nicht zuletzt wegen der Erdbebengefahr.
Text und Bilder: Wolf-Uwe von Hentig, Rüdesheim/Rhein
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