Lage an den Unis ist dramatisch
Der schleichende Ausdünnungsprozess an den drei gartenbaulichen Universitätsstandorten München/Freising, Hannover und Berlin ist weit fortgeschritten. Dies gefährdet letztendlich die Zukunftsfähigkeit des Berufsstands. Um auf die prekäre Situation aufmerksam zu machen, lud der Bundesverband der Hochschulabsolventen/Ingenieure Gartenbau und Landschaftsarchitektur (BHGL) zu einem Fachpressegespräch am 9. Juli in Berlin.
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Forschungsprojekte mit großer Bedeutung für die Praxis wie die ZukunftsInitiative NiedrigEnergieGewächshaus (ZINEG) oder das Kompetenznetzwerk WeGa werden künftig nicht mehr zustande kommen, weil die für die Forschungsarbeit nötigen Kapazitäten an den gartenbauwissenschaftlichen Universitäten nicht mehr ausreichen werden. Mit diesem eindrücklichen Hinweis führte Prof. Dr. Uwe Schmidt die aktuelle Situation der Gartenbauwissenschaften in Deutschland vor Augen. Er ist Prodekan der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät an der Humboldt-Universität zu Berlin und Vorsitzender des BHGL.
In Deutschland bieten die drei Standorte Freising, Berlin und Hannover universitäre Studiengänge für die Gartenbauwissenschaften an. An zwei weiteren Unis, nämlich Bonn und Stuttgart-Hohenheim, gibt es gartenbauliche Fächer im agrarwissenschaftlichen Umfeld. Für ein fundiertes Studienangebot, das die für den Gartenbau wesentlichen Fächer abdeckt, wären pro Uni etwa zehn Professuren nötig, erläuterte Schmidt. Diese Zahl sei längst unterschritten – die drei Hauptstandorte kommen gegenwärtig auf insgesamt noch etwa 15 Professuren. Weitere Einschnitte zeichnen sich ab, sodass sich diese deutschlandweite Zahl bald auf zehn reduzieren könnte.
Die Einschränkungen der Studiengänge sind ein seit Längerem laufender schleichender Prozess. Für die Branche hat eine Auflösung der Gartenbauwissenschaften mittel- und langfristig enorme Folgen, weil dann die gut ausgebildeten Fachleute fehlen, die ihrerseits den Branchenachwuchs ausbilden können, nicht zuletzt qualifizierte Berufsschullehrer. Hochschulabsolventen werden für leitende Stellen in der Wirtschaft, aber auch in der Verwaltung, Verbandsarbeit und nicht zuletzt Fachmedien benötigt.
Die Schwächung der Gartenbauwissenschaften geschah und geschieht nicht nur durch Stellenreduzierungen, sondern auch durch allmähliche Umwidmung von Fachbereichen. Viele Universitäten orientieren sich stark in Richtung Grundlagenwissenschaften. Bei Stellenneubesetzungen sind Bewerber ohne Branchenhintergrund aus Sicht der Unis im Vorteil, erläuterte Schmidt. „Der Abbau macht uns Sorge!“
Schmidt verwies darauf, dass die Zusammenarbeit mit der Industrie und Auftragsforschung im Hinblick auf Geldquellen zwar durchaus einen Beitrag zur Zukunftssicherung der Forschung an den Universitäten leisten könne. Dabei gebe es aber Zielkonflikte zwischen den Anliegen der Industrie und dem Auftrag der Universitäten: Auftragsforschung zielt immer auf möglichst kurzfristige und umsetzbare Ergebnisse ab, während universitäre Forschung zusätzlich mit längerem Horizont die Grundlage für die Zukunftsfähigkeit des Gartenbaus lege.
Jörg Freimuth, Geschäftsführer des Bayerischen Gärtnereiverbands und BHGL-Vorstand, erläuterte, warum die Notsituation der Universitäten in der Öffentlichkeit so wenig bekannt ist: Jede Fakultät ist im Eigeninteresse und Wettbewerb bestrebt, sich nach außen so gut wie möglich darzustellen.
Der BHGL wünscht sich klare Unterstützung der gartenbauwissenschaftlichen Ausbildung und Forschung an den Universitäten auch von den Verbänden: „Die Universitäten und Hochschulen, aber auch der Berufsstand sind aufgerufen, für die Bedeutung und Notwendigkeit einer umfassenden gartenbauwissenschaftlichen Lehre und Forschung an den Universitäten einzutreten“, heißt es in einer Erklärung.
Am 20. November will sich der Berufsverband im Rahmen des BHGL-Forums intensiv weiter mit der Zukunft der Universitäten auseinandersetzen.
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