Qualitätspflanzen effizient produzieren
Schließen sich gute Produktqualität und eine energieeffiziente Gewächshausproduktion gegenseitig aus? Mit dieser Frage beschäftigte sich die zwölfte und letzte Fachtagung des Projekts „Effizienter Energieeinsatz im Gartenbau“ am 24. Oktober 2012 in Hannover.
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Ähnlich den ZINEG-Gewächshäusern wird am Gemüseversuchszentrum Kruishoutem in Belgien die Idee eines energiesparenden, extrem gut isolierten Gewächshauses umgesetzt, berichtete Bert Schamp, Proefcentrum voor Sierteelt, Destelbergen/B. Gut isolierte Alu-Rinnen, Anti-Reflexglas mit einer 6 % höheren Transmission und zweikammrige 16-mm-Stegdoppelplatten-Stehwände ermöglichen ein Gewächshaus mit einem Wärmedurchgangswert von 2,75 W/m² K.
Eine Besonderheit ist die Gasabsorptions-Wärmepumpe in Kombination mit einem Bohrloch-Energiespeicher. Überschüssige Wärme im Sommer wird zunächst in einem Puffertank gespeichert, um diese nachts wieder zu nutzen. Zusätzliche Wärme gelangt über mit Wasser und Glycol befüllte Bohrlöcher in die Tiefe. In der kalten Jahreszeit wird die Energie über eine Wärmepumpe nutzbar gemacht. Jedes einzelne der insgesamt 28 jeweils 100 m tiefen Bohrlöcher kostete rund 4000 €. Die Wirksamkeit des Erdspeichers soll bei 50 bis 90 % liegen. Im ersten Versuchsjahr 2012 konnten über den Sommer 8 MWh gespeichert werden.
Das CO2 der Wärmepumpe wird in die Gewächshäuser geleitet. Laut Prognose liegt die Einsparung durch die gute Isolierung und die Wärmepumpe für 2012 bis Ende November im Vergleich zu dem Referenzhaus gemessen bei Paprika und Tomaten bei 40 %.
LEDs: Vielversprechende Ergebnisse
Noch reagiert der Gartenbau zurückhaltend auf LED-Belichtung. Es liegen kaum praktische Erfahrungen vor. Anbieter versprechen viel Gutes, aber die verschiedenen und noch recht teuren Angebote sind kaum miteinander vergleichbar. Langfristig ist mit einer Effizienzsteigerung, verbesserter Lampenentwicklung und Preisreduktion zu rechnen. Vorteile der LEDs sind neben der versprochenen Energieeinsparung vor allem in den verschiedenen Spektren zu sehen, die gezielt für Pflanzenwachstum und -entwicklung eingesetzt werden können.
Azaleen lassen sich mit LEDs möglicherweise im Winter in mehreren Lagen übereinander kultivieren, berichtete Bert Schamp von belgischen Versuchsergebnissen. Die Zusammensetzung des Spektrums müsse dafür noch optimiert werden. Ein hoher Blaulichtanteil verzögerte das Aufblühen.
Für In-vitro-Kulturen brachte ein von Philips entwickeltes Lichtspektrum-Gemisch gute Ergebnisse. Unterschiedliche spektrale Zusammensetzungen wirkten sich unterschiedlich aus auf die Blattfärbung bei Cryptanthus. Weitere Untersuchungen laufen derzeit zur LED-Belichtung von Spathyphyllum und Clivia sowie zur Verwendung von LEDs als Störlicht bei Chrysanthemen.
Assimilationslicht bei Schnittrosen über LEDs böte derzeit keine Vorteile, da wegen fehlender Wärmestrahlung der Lampen ein höherer Heizenergiebedarf besteht und die im Bestand aufgehängten LEDs zu Nekrosen an den Stielen führten. Auch zur Wachstumskontrolle bei Pelargonien bringen LEDs keine besseren Ergebnisse als SON-T-Lampen.
Geld sparen und dynamisch belichten
Steigende Strompreise und tägliche Preisschwankungen in Verbindung mit staatlicher Forderung zur Energiereduzierung sind Herausforderungen für den dänischen Gartenbau, so Dr. Carl-Otto Ottosen, Aarhus University, Årslev/DK. Mit dynamischen, an Kultur, Klima und Energiepreis angepassten und insgesamt geringeren Lichtgaben (DynaLight) soll der Energieaufwand verringert werden. Für Topfrosen betrug die finanzielle Energieeinsparung in Versuchen bereits 10 bis 30 %. Chrysanthemen und Rosen vertragen unregelmäßig wechselnde Lichtbedingungen gut, Kalanchoe weniger.
Geplant ist die dynamische Belichtung mit LED. Dabei können unterschiedliche Spektren des Lichts das Pflanzenwachstum beeinflussen. Eine Erhöhung des Blauanteils führte bei Rosen zu größerer Blattfläche, während unter reinem Rotlicht Frisch- und Trockengewichte zunahmen. Blaues Licht führte bei Rosen zu mehr farbigen Knospen. Im Vergleich zur Belichtung mit weißem Licht erhöhten sich unter blauem und rotem Licht Frisch- und Trockengewichte sowie der Gehalt an sekundären Inhaltsstoffen bei Rosen, Chrysanthemen und Campanula.
Topfrosen produzierten unter SON-T-Licht mehr Stiele und waren ein bis vier Tage schneller im Wachstum als unter LED-Licht. Unter LED kultivierte Campanula waren eine Woche schneller als unter SON-T-Licht kultivierte Pflanzen. In der Summe gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen der Produktion unter LED oder SON-T.
Pflanzen aktiv halten
Über das ZINEG-Projekt in Hannover-Ahlem berichtete Prof. Dr. Hans-Jürgen Tantau, Leibniz Universität Hannover. Neben der guten Isolierverglasung sorgen dort drei Energieschirme (Tagesschirm mit 20 % Schattierung, Energieschirm mit 50 % Schattierung und Verdunklungsschirm) für maximale Wärmedämmung. Im Vergleich zu einer Eindeckung aus Einfachglas plus Schirm wird eine Energieeinsparung nachts von 70 % realisiert. Es besteht kaum Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit.
Der Anteil latenter Wärme bei Topfpflanzen macht etwa 30 bis 60 % aus und hat in gut isolierten Gewächshäusern nur geringen Einfluss auf den Wärmeverbrauch. Der Einfluss auf den Wärmeverbrauch bei zwei Schirmen plus der Verdunklung ist mit 6 % klein.
Die Kunst bei allen Regelsystemen liegt darin, die Pflanzen aktiv zu halten. Entfeuchtungsmaßnahmen sind sinnvoll, auch wenn die gemessene Luftfeuchte dadurch nur unwesentlich verringert wird. Entscheidend ist, dass die Pflanzen ihre Transpiration durch Entfeuchtungsmaßnahmen erhöhen und damit im Wachstum bleiben.
„Wir müssen hochwertige Produkte in einem energieeffizienten Gewächshaus wie dem ZINEG-Haus kultivieren“, erläuterte Melanie Horscht, LVG Hannover-Ahlem. Für Poinsettien konnten 55 bis 95 % Energieeinsparung in dem gut isolierten ZINEG-Haus in Ahlem mit Wärmepumpe, Speicher und Wärmetauscher erreicht werden. Das Wärmepumpensystem sei nur acht Wochen im Frühjahr und gut acht Wochen im Herbst nutzbar. Ziel sei eine längere Nutzung.
Interessanterweise gibt es laut Horscht kaum Pflanzenschutzprobleme im ZINEG-Haus. „In den bisherigen zweieinhalb Versuchsjahren mussten wir noch keine Botrytis-Behandlung durchführen.“
Alternative Latentwärmespeicher
Frank Böhme und Annette Altmann, Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau Erfurt, stellten im Gewächshaus installierte Latentwärmespeicher vor. Diese speichern den Wärmeüberschuss sonniger Tage und setzen ihn bei kühlen Temperaturen wieder frei. Untersucht wurden verschiedene Speichermedien. Herausforderungen sind unter anderem das passende Regelsystem sowie die Verknüpfung von externen Fühlern und Datenbankwerten. Verbesserungen verspricht sich Böhme durch die Nutzung des neu installierten RAM-Regelsystems, Prozessvisualisierung, bessere Integration und optimalere Wärmemodule.
Die Energiebilanz für den Zeitraum September bis Oktober 2012 zeigte eine 50%-ige Energieeinsparung im Vergleich zur Gewächshauskabine mit konventioneller Untertischheizung. Auch aus pflanzenbaulicher Sicht stellen die Ergebnisse zufrieden, zeigte Annette Altmann an Beispielen ausgewählter Kulturen. Problematisch sei die durch spätes Lüften bedingte hohe Luftfeuchte. „Die Zeiten der hohen Innentemperatur für die Speicheraufladung sollten auf ein Minimum beschränkt werden“, so ihre Forderung. Die Speicher seien zwischen Ende Februar und Ende Oktober nutzbar. Die Kombination mit Tageslichtenergieschirmen könnte den Wirkungsgrad verbessern.
Ein fertiges System aus Latentwärmespeichern für die Praxis in Gewächshäusern gibt es derzeit nicht, demzufolge auch noch keine Infos zu den Kosten. Diskutiert wurde, wie viel Energie ein Betonboden speichern kann. Nach Praxiserfahrungen schwanken die Temperaturen in einem betonierten Haus weniger stark, nachts muss erst später geheizt werden.
Messen – bewerten – reagieren
Während Prozesskontrolle in Industrieunternehmen das AO ist, wird im Gartenbau oft nach Gefühl entschieden. Mit einem Blick in die Zukunft erläuterte Prof. Dr. Uwe Schmidt, Humboldt Universität zu Berlin (HUB), Möglichkeiten zur Qualitätssicherung in Niedrigenergiegewächshäusern durch die Prozesskontrolle des Pflanzenwachstums. Ziel ist die Optimierung des Anbauprozesses durch frühzeitige Information über die Wirkung der Wachstumsbedingungen auf Ertrag und Qualität sowie die automatische Beeinflussung dieser Faktoren durch Prozesstechnik.
Das Solarkollektorgewächshaus an der HUB kommt ohne Sonnenkollektoren auf dem Dach aus und setzt dafür die Pflanzen sozusagen als Wärmetauscher ein. Durch Transpiration wandeln Pflanzen einen Teil der solaren Wärme in Wasserdampf um. Dabei kühlen sie sich selbst und ihre Umgebung. So wirken Pflanzenbestände in einem Gewächshaus wie natürliche Verdampfer und Kühlflächen.
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