Deutschland wird älter und bunter
Die Gesellschaft in Deutschland wird immer älter, die Bedeutung von Menschen mit Migrationshintergrund größer. Für den Gartenbau kommen wohl zunächst noch einige gute Jahre. Diese sollten wir nutzen, empfiehlt unsere Autorin Dr. Susanne Lux, denn die eigentliche demografische Herausforderung, die abnehmende Zahl der Verbraucher, kommt in einiger Zeit auf uns zu.
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Schon seit Jahrzehnten gibt es in Deutschland eine fast weltweit zu beobachtende Entwicklung: Seit 1972 gibt es hier mehr Sterbefälle als Geburten. Und seit 2003 wird dieses Geburtendefizit auch nicht mehr durch Zuwanderung ausgeglichen – mit der Folge, dass die Bevölkerung altert und schrumpft, so das Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie (DAF), Sankt Augustin. Mittlerweile zeichnen sich unübersehbar die Konsequenzen ab – für die Gesellschaft und für die Wirtschaft. Auch für die grüne Branche werden die Folgen der demografischen Entwicklung spürbar sein – zukünftig stärker als in der Vergangenheit. In den letzten Dekaden hat die grüne Branche stark vom hohen Konsum an Blumen und Pflanzen profitiert, vor allem davon, dass ältere Menschen mehr Blumen und Pflanzen kaufen als jüngere.
Herausfordernd werden vor allem die geringen Geburtenzahlen: Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), Wiesbaden, stellt fest: Niemand in Europa hat so wenig Kinder wie die Deutschen. Ein Viertel der jungen Männer heute möchte keine Kinder bekommen. Dass wir älter werden, ist für den Einzelnen begrüßenswert. Und es wäre auch für die Gemeinschaft kein Problem, wenn wir nicht weniger würden – die Kinderarmut ist unser Problem. „Tod auf Raten“ titelte der „Spiegel“ in einer April-Ausgabe. 2050 werden in Deutschland je nach Bevölkerungsszenario zwischen 9 und 17 % weniger Menschen leben.
Senioren beleben Nachfrage in den nächsten Jahren
Für die grüne Branche positiv: Ihre Hauptzielgruppe wird nicht kleiner, sondern größer. Vielkäufer von Blumen und Pflanzen sind und waren Menschen im Alter von Anfang 60 bis etwa 75 Jahren. Diese Zielgruppe gibt pro Kopf deutlich mehr aus als jüngere Generationen. Deshalb ist die weitere Seniorisierung Deutschlands zunächst einmal positiv zu bewerten. Die über 60-Jährigen stellen heute rund ein Viertel der Bevölkerung. Auf sie entfällt über die Hälfte der Ausgaben für Blumen und Pflanzen. Bis zum Jahr 2020 wird diese Altersgruppe auf etwa 30 Prozent wachsen, bis 2030 auf 35 Prozent. Es sind vor allem die „jungen Alten“ zwischen 60 und 80 Jahren, die viel für Blumen und Pflanzen ausgeben. Diese Gruppe wird mit den geburtenstarken Jahrgängen vor allem der 1960er zunächst größer. Wenn diese Jahrgänge dann ab etwa 2040 ihr achzigstes Lebensjahr erreichen, wird die Zahl der „jungen“ Alten wieder zurückgehen.
Aktuell durchläuft der grüne Markt eine Sonderentwicklung, die ihre Ursache im Geburtenknick am Ende oder kurz nach dem 2. Weltkrieg hatte. In der Alterskohorte der heute 60- bis 65-Jährigen sind aktuell 10 bis 12 % weniger Menschen als in der Kohorte darüber (65 bis 70 Jahre). Besonders ausgeprägt fiel der Geburtenrückgang im Nachkriegsjahr 1945/46 aus. 2010/2011 ist der geburtenschwächste Nachkriegsjahrgang 1945/1946 ins Rentenalter gekommen.
2010/2011 sind rechnerisch etwa 25 % weniger Menschen als im Vorjahr in Rente gegangen. Die beiden folgenden Geburtenjahrgänge haben dann wieder jährlich jeder etwa 10 % mehr Rentner, sind aber immer noch deutlich kleiner als die Jahrgänge vom Ende der 30er Jahre. Ab 2015 kommen dann die geburtenstarken 1960er Jahrgänge ins Vielkäuferalter. Das lässt ein Marktwachstum erwarten, der Gartenbau wird wohl für einen begrenzten Zeitraum Demographie-Gewinne erzielen. Denn diese eigentliche Babyboomer-Generation ist zahlenmäßig etwa 20 bis 30 Prozent größer als die heutige Senioren-Vielkäufer-Altersgruppe. Ab etwa 2025 wird die Zahl der neuen Vielkäufer ab 55 Jahren dann allerdings unter der Zahl der als Verbraucher ausscheidenden älteren Seniorengruppen liegen. Und ab 2030 werden jährlich rund 30 bis 40 % der Vielkäufer nicht mehr ersetzt werden.
Ab 2015 kommen die geburtenstarken 1960er-Jahrgänge ins Vielkäuferalter. Das lässt ein Marktwachstum erwarten, der Gartenbau wird wohl für einen begrenzten Zeitraum Demografie-Gewinne erzielen. Denn diese eigentliche Babyboomer-Generation ist zahlenmäßig etwa 20 bis 30 Prozent größer als die heutige Senioren-Vielkäufer-Altersgruppe. Ab etwa 2025 wird die Zahl der neuen Vielkäufer ab 55 Jahren dann allerdings unter der Zahl der als Verbraucher ausscheidenden älteren Seniorengruppen liegen. Und ab 2030 werden jährlich rund 30 bis 40 % der Vielkäufer nicht mehr ersetzt werden.
Senioren: auch künftigpflanzenorientiert?
Die optimistische Sicht im Hinblick auf die Senioren gilt allerdings nur, wenn sich deren Verbrauchsgewohnheiten künftig genauso entwickeln werden wie die der heutigen. Eine Untersuchung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung zum Kleingartenwesen in Deutschland legt nahe, dass das Interesse an Blumen und Pflanzen nur dann mit dem Alter zunimmt, wenn bereits früh ein Keim für dieses Interesse gelegt wurde. In der Studie heißt es: „Die Kleingärtner sind im Durchschnitt älter als die erwachsene Bevölkerung.“ Nur 21 % der Kleingärtnerinnen und Kleingärtner sind heute jünger als 50 Jahre, 1997 waren es noch 26 %. Fazit der Studie: „Das sind also die Pächter, die inzwischen in und mit ihren Gärten älter geworden sind.“ Weil der Nachwuchs fehlt, steht mittlerweile so mancher Kleingarten leer.
Wegfallende Traditionen – weniger Blumenkauf?
Das Bundesinstitut für Bevölkerungsentwicklung berichtet: „Festlegungen auf ein Familienengagement werden zunehmend gemieden und Veränderungen hinausgeschoben. Biografische Ereignisse wie das Bildungsende, Auszug aus dem Elternhaus, die Gründung eines eigenen Haushalts, das Zusammenwohnen mit dem Partner, Eheschließung oder Geburt des ersten Kindes werden immer weiter aufgeschoben.“ Faktoren wie Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung, Spaß haben und Leben genießen stehen heute mehr im Vordergrund als Bindung und Verantwortlichkeit.
Dies hat Folgen, beispielsweise für die Bindung an den Kleingarten, der zur regelmäßigen Pflege verpflichtet. Wo Verpflichtungen vermieden werden, fallen auch traditionelle Anlässe für das Kaufen von Blumen und Pflanzen weg. Wer keine eigene Wohnung bezieht, sondern im „Hotel Mama“ bleibt, wird keine eigenen Räume mit Zimmerpflanzen aufwerten oder einen eigenen Balkon und Garten bepflanzen. Wer nicht heiratet, braucht keine Blumen für die Hochzeit – und später keine Blumensträuße zum Hochzeitstag.
Einkommen der Senioren sind rückläufig
Die Ausgaben für Blumen und Pflanzen werden auch durch die Höhe der verfügbaren Einkommen beeinflusst. In Europa sind diese Ausgaben in Norwegen und der Schweiz am höchsten, diese Länder haben die höchsten Pro-Kopf-Einkommen. Auch die Analyse der GfK-ZMP-AMI-Daten legt nahe, dass es eine enge Korrelation zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen und den Ausgaben für Blumen und Pflanzen gibt.
Der Markt für Blumen und Pflanzen profitierte bisher wie andere Konsummärkte davon, dass sich die finanzielle Situation der aktuellen Rentnergeneration besser als die früherer Generationen darstellt. Diese fetten Jahre gehen allerdings dem Ende zu. Die individuelle zukünftige Entwicklung der Einkommens- und Vermögenssituation Älterer und damit die Höhe der Konsumausgaben sind schwer abzuschätzen. Einerseits werden Lücken in der Erwerbsbiografie die finanzielle Lage zukünftiger Rentner verschlechtern. Andererseits könnte dies zum Teil durch eine gestiegene Erwerbsbeteiligung der Frauen und somit höhere Rentenansprüche aufgefangen werden.
Bereits seit dem Jahr 2000 ist die Höhe der durchschnittlichen nominalen Zahlbeträge für Neurentner deutlich gesunken. In einer Studie des DIW vom Mai 2011 heißt es: „Aktuell beläuft sich die Höhe des Zahlbetrags bei einer Neurente in Westdeutschland nur noch auf rund 820 Euro und auf 800 Euro in Ostdeutschland. Damit liegt die durchschnittliche Rente bei Männern, die eine Rente neu bezogen haben, nur noch wenig über dem Niveau der Grundsicherung im Alter. Die Entwicklung bei den Zahlbeträgen für Frauen verlief ähnlich, wenngleich auf einem deutlich niedrigeren Niveau insbesondere bei den Bestandsrentnerinnen.“
Dies gilt auch für langjährig Versicherte. Ein langjährig Versicherter, der 2009 in Rente gegangen ist, hat eine Bruttoeingangsrente von durchschnittlich 1 022 Euro. Das waren brutto rund 50 Euro weniger als noch vor 15 Jahren. Unter Berücksichtigung der Inflation hatte er sogar rund 20 % weniger als noch vor zehn Jahren.
Neben den rückläufigen Zahlbeträgen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei Neurentnern deutet auch die in den letzten Jahren deutlich gewachsene Zahl der Empfänger von Grundsicherungsleistungen darauf hin, dass das Risiko für Altersarmut in den nächsten zehn Jahren vermutlich zunehmen wird. Dem kann auch die private Altersvorsorge, so die Studie des DIW, nur begrenzt entgegenwirken. Glaubt man den zahlreichen Propheten der Vorhersage künftiger Altersarmut, wird das Gros der Rentner in 20 Jahren eine gesetzliche Rente von höchstens knapp über der Grundsicherung im Alter haben.
Auch Berufstätige werden weniger Geld haben
Ein wichtiger Indikator ist der sogenannte Belastungsquotient. Er gibt an, wie viel erwerbstätige Personen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren für die Generationen unter 20 und über 65 Jahren aufkommen müssen. In den letzten 20 bis 25 Jahren hat unsere Gesellschaft davon profitiert, dass es relativ wenige Kinder gab und gleichzeitig relativ wenige alte Menschen. Seit dem Jahr 1990 steigt der Belastungsquotient langsam und stetig an. „Belasteten“ in den 1970er- und 1980er-Jahren vor allem die Kinder und Jugendlichen die Quote, sind es in Zukunft die Alten. Nach den Vorausrechnungen des Statistischen Bundesamts wird der Belastungsquotient, der aktuell bei 65 % liegt, bis 2020 zunächst nur langsam auf 67 % steigen. Bis 2030 wird der Belastungsquotient dann jedoch auf über 80 % wachsen, bis 2040 gar auf 90 %, bedingt durch den steigenden Anteil der Hochbetagten.
Senioren: weniger Zeit für Freizeit und Garten
Ein anderer Grund für den hohen Pro-Kopf-Verbrauch der heutigen Vielkäufer ist die verfügbare freie Zeit. Die grüne Branche hat in den vergangenen zwei bis drei Dekaden nicht nur vom zunehmenden Wohlstand durch lange Jahre ansteigender Renteneinkommen, sondern auch von der vielen freien Zeit der Senioren profitiert. Frührentnerprogramme verschafften den jungen Alten viel freie Zeit. Dies war ein wesentlicher Grund für das hohe Engagement der heutigen Silver Ager (nicht nur) im Garten. Die freie Zeit hat in der letzten Dekade sogar noch zugenommen. Gingen 1997 rund 40 % der Kleingärtner einer Erwerbstätigkeit nach, waren es 2007 nur noch 33 %. Mehr als die Hälfte aller Kleingärtner sind Ruheständler, jeder vierte Vorruheständler oder Frührentner.
Wie sieht es mit der freien Zeit künftig aus? Silver Ager werden, so ist es erklärter Wille der Politiker, bald länger arbeiten als ihre Vorgängergenerationen. Ab dem Geburtsjahrgang 1964 sollen alle Arbeitnehmer bis 67 arbeiten – oder aber deutliche Rentenabschläge in Kauf nehmen. Weil gleichzeitig von den künftigen Silver Agern viele spät und nur unregelmäßig in die Rentenkasse eingezahlt haben und viel mehr Ehen als früher geschieden werden, werden viele über das Ende der regulären Arbeitszeit hinaus einem Minijob nachgehen müssen.
Es ist deshalb zu vermuten, dass künftig mehr und mehr Senioren ihre Rente durch einen 400-Euro-Job oder andere Tätigkeiten aufbessern werden. Damit bleibt weniger freie Zeit für Garten und Hausdekoration.
Auch Berufstätige haben weniger Zeit
Nicht nur Senioren, auch mittlere Altersgruppen werden künftig weniger Zeit haben, was ebenfalls Auswirkungen auf die Nachfrage nach Blumen und Pflanzen haben wird. War die Generation der Frauen, die heute im besten Vielkäuferalter ist, zu überwiegenden Anteilen „nur“ Hausfrau und Mutter, sind heute viele Frauen auch mit Kindern unter 18 Jahren berufstätig. Waren die Kinder aus dem Haus, hatten die Frauen in der Vergangenheit viel Zeit für Blumen und Pflanzen und ihren Garten. Viel öfter als früher sind die heute 40- bis 55-jährigen Frauen nach der Kinderphase wieder berufstätig – und zwar in immer stärkerem Maße auch mit höherer Stundenzahl. Oft aus finanziellen Gründen, weil ein deutlich höherer Anteil der Frauen geschieden ist. Damit steht ihnen mehr Geld zur Verfügung – aber auch weniger Zeit.
Die politischen Weichen werden so gestellt, dass immer größere Anteile auch der Frauen mit Kindern im Vorschul- und Grundschulalter immer länger arbeiten können – oder müssen. Die immer wieder diskutierte Aufhebung des Ehegattensplittings und der kostenlosen Mitversicherung von Ehefrauen in der Krankenkasse werden ebenfalls zu mehr Berufstätigkeit führen.
Wird der Staat Kinder an die Natur heranführen?
Die institutionalisierte Kindheit ist ein weiterer Aspekt, der Einfluss auf den langfristigen Absatz von Blumen und Pflanzen haben wird. Ein grüner Daumen wird tradiert – das zeigt nicht nur die Studie zum Kleingartenwesen. Viele Menschen haben mit oder ohne Eltern ihre Zeit bei den Großeltern im Garten verbracht und sind so oft in den Kleingarten hineingewachsen. Mit einer steigenden Mobilität wird das erschwert. Dies und abnehmende Bindungsstrukturen sind neben der zunehmenden Institutionalisierung der Kindererziehung nur einige der Aspekte, warum in Zukunft immer weniger die Familie und immer mehr der Staat (Schule, Kita) für die Weitergabe von Traditionen des Lebens mit Blumen und Pflanzen zuständig wird. Ein Blick in viele Schulgärten zeigt, dass es damit nicht weit her ist. Gestresste Mütter, die ihre Kinder am späten Nachmittag aus der Kita holen, werden im Übrigen wenig Zeit und Energie haben, sich Pflanzen und Garten zu widmen.
Mehr Menschen mit Migrationshintergrund
Die deutsche Bevölkerung wird nicht nur weniger und älter, sondern auch bunter in ihrer ethnisch-kulturellen Zusammensetzung. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund wird in Deutschland auf etwa ein Fünftel geschätzt. Die Hälfte davon hat eigene Migrationserfahrung.
Wie das Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie ausführt, ist der Motor dieses ethnischen Bevölkerungswandels nicht nur die seit Jahrzehnten zu verzeichnende Zuwanderung, sondern auch die größere Geburtenneigung der Frauen mit Migrationserfahrung im Vergleich zu den in Deutschland geborenen Frauen. Der Anteil der Frauen mit drei und mehr Kindern ist unter den Frauen mit Migrationshintergrund etwa doppelt so groß wie unter den Frauen ohne Migrationshintergrund. Mehr als ein Viertel der „einheimischen“ Frauen, aber nur knapp 15 % der Migrantinnen sind kinderlos. Interessant: Selbst bei Frauen mit Migrationshintergrund wird der Generationenersatz nicht erreicht. Eine Ausnahme sind die Türkischstämmigen: Ihr Bevölkerungsanteil wächst durch Geburtenüberschüsse.
Was bedeutet das alles für den grünen Markt?
Wenn es der grünen Branche gelingt, die bisherigen Wenigkäufer, nämlich die Generation der 45 bis 50-Jährigen, an Blumen und Pflanzen heranzuführen, kann sie sich auf zwei bevorstehende gute Dekaden freuen, zumindest, was die Anzahl der potenziellen Kunden angeht. Erst wenn ab 2025 die Jahrgänge des Pillenknicks ins Vielkäuferalter kommen und erst recht, wenn ab etwa 2035 bis 2040 die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in das Alter der Hochbetagten kommen, wird die rückläufige Zahl der potenziellen Konsumenten den Gartenbau wirklich treffen.
Bis dahin sind es vor allem die veränderten Konsumgewohnheiten, resultierend aus unterschiedlichen Lebensentwürfen, aber auch ethnischen Blumenverbrauchstraditionen, das vielfach (aber nicht immer) reduzierte verfügbare Einkommen und die knappere freie Zeit, welche die Ausgaben von Blumen und Pflanzen beeinflussen.
Für Fachbetriebe wird es darum gehen
sich auf die Bedürfnisse der neuen Silver-Ager zwischen 50 und 60 Jahren und der neuen „Jungen Alten“ zwischen 60 und 80 Jahren einzustellen,
auf die aus der zunehmenden Zeitknappheit in der „Mitte des Lebens“ resultierenden neuen Bedürfnisse dieser Zielgruppe zu reagieren und
die neuen Migranten-Zielgruppen für sich zu gewinnen.
Dienstleistungen für ältere Menschen wichtig
Die künftigen Silver Ager werden stärker als ihre Vorgängergenerationen als Single oder in neuen Lebensformen leben. 2030 sollen über 9 Mio. ältere Menschen alleine wohnen – gegenüber rund 5 Mio. im Jahr 2002. Mehr Singles bedeuten nicht unbedingt weniger Ausgaben für Blumen und Pflanzen. Mehr Singles bedeutet aber, dass soziale Kontakte und unterstützende Dienstleistungen wichtiger werden, gerade bei älteren und weniger mobilen Senioren.
In Großbritannien profitieren Gartencenter schon heute vom Bedürfnis der Senioren nach Geselligkeit. Dort bevölkern sie nicht nur im Frühjahr, sondern auch in den Herbst- und Wintermonaten die Gartencenter, die sich zu kleinen Shoppingmalls mit Restaurants entwickelt haben. Gartencenter dort bieten neben traditionellen Sortimenten weitere für Senioren interessante Produktgruppen an, beispielsweise Bücher oder Deko-Artikel – und vor allem ein preiswertes, umfangreiches Angebot an Mahlzeiten.
Mehr Senioren-Singles heißt auch mehr Bedarf an Serviceangeboten. In der Wohnungswirtschaft stellt man sich auf eine wachsende Nachfrage nach barrierearmen Wohnungen mit wohnbegleitenden Serviceangeboten ein. Kunden der Gärtner werden immer mehr andere Dienstleister wie Hausmeister-Dienste, Seniorenheime oder Wohnungsbaugenossenschaften sein, die ihren Bewohnern ein Rundum-Sorglos-Angebot inklusive Grünpflege bieten.
Die künftigen Silver Ager orientieren sich stärker an Themen wie Nachhaltigkeit und Ökologie. Viele haben eine Sehnsucht nach Naturnähe, Entschleunigung, Entkonsumierung. Sie sind die Käufer der vielen Medien rund um Landleben und Landliebe.
Bildungsangebote für Kinder und Familien
Auch regional wird sich die Marktsituation künftig stärker unterschiedlich entwickeln. Betriebe in idyllischen Kleinstadt- und Dorflagen werden sich vielleicht gezielt als Landliebe-Betrieb positionieren. Andere werden sich eher in Richtung Spezialitätenbetrieb entwickeln und online verkaufen. Alle Formen der Internetpräsenz werden künftig wichtiger werden, weil die neuen Silver Ager deutlich stärker als ihre Vorgängergenerationen das Internet nutzen.
Für junge Familien werden Kinderbetreuung, Kinderunterhaltung und Lernen und Spaß immer wichtiger. Vielleicht bietet das Gartencenter auf der einen Seite Seniorenmenüs, auf der anderen Seite aber auch Kindernachmittage oder Ferienbetreuung an – die für das Bildungsbürgertum durchaus etwas mit Lernen zu tun haben dürfen. Weil das institutionalisierte Lernen an Bedeutung gewinnt, wird das Thema Schulgarten wichtiger, wie der Kongress Zukunft Garten auf der BUGA 2011 zeigt.
Ethnomarketing ist noch wenig im Blick
Die Zielgruppe Migranten gilt es ins Auge zu fassen. Migranten haben Interesse an Blumen und Pflanzen. Zum Ramadanfest beispielsweise besuchen muslimische Kinder als Erwachsene ihre Eltern und bringen ihnen kleine Geschenke mit, eben auch Blumen.
Türkische Haushalte sind eine noch unentdeckte Zielgruppe, so das Projekt „Vielfalt bewegt“. Auch die Studie zum Kleingartenwesen zeigt, dass Migranten sich für das Thema Garten interessieren. Vor allem Familien mit Kindern im großstädtischen Bereich Westdeutschlands ersetzten im Beobachtungszeitraum der Studie aus Altersgründen ausscheidende Kleingartenpächter – 12 % der Neuzugänge bei den Kleingartenpächtern im Zeitraum 2002 bis 2007 hatten einen Migrationshintergrund.
Über die Konsumgewohnheiten von Menschen mit Migrationshintergrund gibt es bei Blumen und Pflanzen bislang kaum weitergehende Informationen. Theoretisch möglich wäre eine erste Analyse über das GfK-AMI-Blumenpanel, weil auch die ausländischen Verbraucher in diesem Panel erfasst werden. Hier ist es Aufgabe der Verbände, bei der AMI Auswertungen anzuregen. Unternehmen können aber auch erste eigene Schritte tun. Längst gibt es Aktionsbündnisse, die auf ein gemeinsames Ethnomarketing setzen. Ein Beispiel ist das EU-finanzierte Programm „Vielfalt bewegt“ in Rheinland-Pfalz. Gärtner und Floristen fehlen dort allerdings bislang in der Liste der Aktionspartner ( http://www.vielfalt-bewegt.de ).
Der Text entstand auf der Grundlage eines Vortrags, den die Autorin auf der Marketingtagung der bayrischen Gärtner im Juli in Würzburg hielt.
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