Fachkräfte werden immer knapper
Am 3. November veranstaltete der Bundesverband der Hochschulabsolventen/Ingenieure Gartenbau und Landschaftsarchitektur (BGHL) in Kooperation mit der VEG-Geisenheim Alumni Association das Forum „Ausbildung und Arbeitskräfte in Gartenbau und Landschaftsarchitektur“.
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Dabei spürten die Veranstalter, zusammen mit 50 Teilnehmern, den Arbeitsmarktentwicklungen im Gartenbau in Deutschland nach. Im Raum stand die Frage: Welche Konsequenzen und Perspektiven ergeben sich für Bedarf und Verfügbarkeit an Fach- und Führungskräften, deren Qualität und die Verbesserungswürdigkeit der Aus- und Fortbildung in grünen Berufen bis 2020?
„Qualifizierte Fachkräfte sind der Rohstoff Deutschlands“, stellte BGHL-Präsident Prof. Dr. Uwe Schmidt einleitend fest. Dr. Sabine Ludwig-Ohm, Johann Heinrich von Thünen-Institut Braunschweig, lieferte anhand gartenbaulicher Ausbildungsstatistiken eine Situationsanalyse. Derzeit verzeichnet der GaLaBau mehr als doppelt so viele Auszubildende wie der Produktionsgartenbau in all seinen Sparten. Immer weniger Auszubildende entscheiden sich für eine Lehre im Produktionsgartenbau. In diesem sind zwei Drittel aller Azubis im Zierpflanzenbau, ein Viertel im Baumschulwesen beschäftigt. Noch 1996 waren die Ausbildungszahlen im Produktionsgartenbau und GaLaBau nahezu gleich gewesen.
Zu viele Abbrecher, zu wenig Meister/Techniker
Von allen abgeschlossenen Ausbildungsverträgen bricht ein Viertel der Gärtner-Azubis die Lehre ab, zumeist bereits im ersten Lehrjahr. Friedhofsgartenbau, Baumschulwesen und GaLaBau weisen die meisten Aussteiger auf. Von den in ihrem Vertrag verbleibenden Azubis bestehen rund 80 Prozent ihre Gehilfenprüfung. Von den ausgebildeten Gärtnerinnen und Gärtnern legten 1996 rund ein Viertel die Meisterprüfung ab. Diese Anzahl ist zurzeit auf rund zehn Prozent abgesackt. Innerhalb dieser zehn Prozent ist die Situation für den GaLaBau günstiger: etwa 300 jährlich im Bundesgebiet freigesprochenen Gärtnermeistern und Gärtnermeisterinnen im GaLa-Bau stehen rund 200 im Produktionsgartenbau gegenüber.
Fach- und Führungskräfte – woher künftig nehmen?
Laut einer von Ludwig-Ohm vorgestellten Untersuchung von Dierkmeier und Kerstjens muss vor allem der Produktionsgartenbau bis 2020 mit erheblichen Problemen bei der Rekrutierung von Fach- und Führungskräften rechnen.
Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sich die aktuelle Gartenbauerhebung statistisch in gleicher Weise wie bisher weiterentwickeln wird und jeder der 2020 noch existierenden Produktionsgartenbaubetriebe (2005: 23 000; 2020: 14 000) dann einen Meister/Techniker und zwei bis drei Gärtner/-innen benötigt. Einem Jahresbedarf an 475 Meistern/Technikern und 1 220 Gärtner/-innen stehen dann, so Dierkmeier und Kerstjens, tatsächlich nur 140 Meister/Techniker und 850 Gärtnerinnen/Gärtner gegenüber. Ludwig-Ohm: „Im Jahr 2020 deckt das Angebot an Gärtnern im Produktionsgartenbau voraussichtlich nur noch 70 Prozent des Branchenbedarfs ab, das an Meistern/Technikern voraussichtlich nur rund 30 Prozent. Mittelfristig werden die Probleme für den Gartenbau durch Konkurrenz mit anderen Berufen noch erheblich deutlicher werden, weil andere Branchen ebenfalls Personalprobleme bekommen werden“.
Personalmangel im Produktionsgartenbau zu lange unterschätzt
Walter Holbeck, beim Zentralverband Gartenbau (ZVG) zuständig für die Berufsnachwuchswerbung, bemängelte, dass in der grünen Branche Energie, Wettbewerb, Pflanzenschutz und dergleichen während der letzten Jahre wichtiger als der drohende Fachkräftemangel genommen worden sind. Inzwischen sei die prekäre Situation aber bei Betrieben und Verbänden angekommen. Die Rückwärtsentwicklung bei abgeschlossenen Ausbildungsverträgen sei ein Problem in Ost und West. Auch seien vorhandene Ausbildungsplätze in jüngster Vergangenheit zum Teil wegen mangelnder Ausbildungsreife der Bewerber nicht besetzt worden. Maßnahmen des GaLaBaus zur Gewinnung von Auszubildenden in jüngster Vergangenheit bezeichnete Holbeck als „vorbildlich“. Holbeck weiter: „Es nützt nichts, den Fingerzeig immer nur auf die anderen zu richten, dass die Berufsberater vom Gartenbau keine Ahnung hätten, dass die Arbeitsämter fehl beraten würden. Die Gartenbaubetriebe selbst müssen in der beruflichen Nachwuchswerbung aktiver werden“. Zwar habe der ZVG Initiativen wie den Internetauftritt beruf-gärtner.de gestartet, der ZVG habe aber zu wenige finanzielle und personelle Mittel, die Rekrutierung künftiger Fach- und Führungskräfte für die gesamte Branche allein zu stemmen.
Ausbildungs-Quantität erhöhen, Qualität sichern
Zur Qualität der künftigen Ausbildungen forderte Holbeck, das Duale System sicherzustellen und es weiterzuentwickeln und nicht durch modulare Berufsausbildung oder gar eine Basisausbildung in Lehrgangsform aufzuweichen. Holbeck bemängelte, dass die Eingangsvoraussetzungen an den Fachschulen in den zurückliegenden Jahren nach unten gedrückt worden seien: „Alles musste immer schneller werden, gleich nach Abschluss der Lehre sollten sich die Gärtnerinnen und Gärtner an der Fach- und Technikerschule anmelden können. Ohne berufliche Praxis morgen gleich Meister oder übermorgen Techniker zu werden, das ist der falsche Weg. Gleichwohl müsse der klassische Weg der Ausbildung an einer Fach- oder Technikerschule in Zukunft nicht mehr der Königsweg sein. Die Meister- oder Technikerausbildung ist auch berufsbegleitend denkbar.“ Auch um die Ausbildung der Ausbilder sorgt sich Holbeck: „Wer unterrichtet morgen und übermorgen unsere Fachkräfte? Wie qualifiziert und praxiserfahren werden die Ausbilder sein?“
Vor allem Praktiker gefragt
Mit seinem Überblick über Tätigkeitsfelder und Berufsaussichten von Fachhochschul- und Hochschulabsolventen im Gartenbau machte Engelbert Lehmacher, Geschäftsführer des Labors für Baustoffe und Bauweisen des Sportplatz- und Landschaftsbaus, Berlin und Osnabrück, deutlich, dass im Bereich Landschaftsarchitektur auf jeden von der Praxis benötigten Planer fünf Bau- oder Projektleiter kommen. Die Branche brauche Führungsnachwuchs mit möglichst profunder Praxiserfahrung.
Auslandserfahrungen erwünscht
Profunde Praxiserfahrungen hält Andreas Kientzler von Kientzler Jungpflanzen, Gensingen, zusammen mit handfesten Fremdsprachenkenntnissen und Auslandserfahrungen für künftige Führungskräfte für essentiell: „Ohne Praxiserfahrung tut man sich im Gartenbau schwer. Es ist dann immer schwierig, wenn man im Beruf mit solide ausgebildeten Fachkräften zu tun hat, die einen fachlich rechts überholen können.“ Zudem warb er dafür, für den Gartenbau in der Öffentlichkeit mehr dafür zu tun, „unser Berufsbild besser und kompetenter darzustellen“.
Soziale Kompetenz fehlt immer häufiger
„Wie vermissen zunehmend die soziale Kompetenz der Absolventen“, unterstrich Franz Josef Sieg, Sieg + Partner, Wermelskirchen, in seinem Referat zu Anforderungen an Fachkräfte aus betrieblicher Sicht. Diese seien „fachlich hoch versiert“, müssten aber „in der betrieblichen Praxis querbeet mit Lehrling und Fachkraft, bis hin zum gestandenen Polier sowie den unterschiedlichsten Kunden klarkommen.“
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